Meister Eckhart ist kein Kirchenlehrer,
wie beispielsweise die von ihm geschätzten Augustinus, Thomas von Aquin oder Albertus magnus (zwei davon aus seinem Orden und nahezu aus seiner Zeit). Er war zwar Magister, auf deutsch „Meister“ (d.h. zu seiner Zeit Professor) an den renommierten Hochschulen Paris und Köln, doch „die Seinigen nahmen ihn nicht an“, jedenfalls nicht außergewöhnlich wichtig. Geschätzt und verbreitet wurden seine Ansichten und Lehren von den akademisch Unmündigen, denen er deutsch predigte, in den Klöstern und in der Laien- Öffentlichkeit und denen er „Kraft gab, Kinder Gottes zu sein“ (Joh 1).
Aber Kirchenlehrer ist er damit keinesfalls, weil offenbar die Kirche nicht von ihm lernen wollte – Wo kein Schüler, da kein Lehrer – und diese Verstocktheit bis heute aufrecht erhält.
Es wäre aber wohl auch zu viel verlangt, kirchenamtlich einen Mann zu würdigen, der mit ein paar Worten das als erübrigbar erachtet, was Kirche, zumal die katholische, zu ihren Zentralanliegen und den Kern ihrer Selbsteinschätzung erklärt: approbierte Mittlerin (1) zu sein zwischen Gott und den Gläubigen, dazu exklusiv über Heilsmittel (Sakramente) (2) zu verfügen, und selbst als „magistra“ zu agieren, als Lehrerin ewiger Wahrheit und dem, was sie dazu zählt und dafür hält.
(1) Denn du mußt wissen, daß sie (die Seele) innen frei und ledig ist von allen Bildern, und dies ist (denn) auch der Grund dafür, daß Gott sich (unmittelbar) frei, ohne Bild oder Gleichnis mit ihr vereinigen kann.
(Quint 17, S. 418)
Die Leute sagen oft zu mir: »Bittet für mich!« Dann denke ich: »Warum geht ihr aus? Warum bleibt ihr nicht in euch selbst und greift in euer eigenes Gut? Ihr tragt doch alle Wahrheit wesenhaft in euch.«
(Quint 6, S. 181)
(2) Dann gibt es ,guteʻ Leute, die hindern sich selber, indem sie zuviel haften an Reue und Buße: und bleiben auf dem Zeichen und bemühen sich nicht zu der lauteren Wahrheit zu kommen.
Ebenso hindern sich manche ,guteʻ Leute, indem sie allzu eifrig hinterher sind hinter dem heiligen Sakrament des Leibes des Herrn, wie sie den sich nur irgend verschaffen können. Sie wenden ein Übermaß äußeren Fleißes an die Gegenstände der Bereitung und bereiten sich nicht zur Wahrheit.
…alle die Sakramente weisen uns nur zu der einigen Wahrheit; daher darf man beim Zeichen nicht stehen bleiben.
(Pfeiffer, S. 239)
Doch gerade heute, in einer umtriebigen und akustisch überdosierten Spaßwelt, gehen bei manchen Menschen die Ohren auf für die leisen Töne einer Botschaft, die aus der Tiefenerfahrung kommt und ein differenzierendes Hinhören erfordert (3) – tangentiell vorbei an überholten und überlebten Positionen, Postulaten und praktischen Räten (4) und Riten der verfassten Kirchen, die nicht etwa „leer“ geworden sind, wie das im Sinne Eckharts wäre, sondern schal und scheppernd „wie eine tönende Glocke“ (1 Kor 13).
(3) (Denn) wer Gott recht in Wahrheit hat, der hat ihn an allen Stätten und auf der Straße und bei allen Leuten ebensogut wie in der Kirche oder in der Einöde oder in der Zelle… Warum? – Weil er einzig Gott hat und es nur auf Gott absieht und alle Dinge ihm lauter Gott werden. Ein solcher Mensch trägt Gott in allen seinen Werken und an allen Stätten…
(Quint, S. 59)
(4) Aber eine andere Art (Leute) habe ich diesmal im Sinn, alle diejenigen, die ichhaft gebunden sind an Gebet, an Fasten, an Wachen und allerhand äußerliche Übungen und Kasteiungen. Jegliche Ich-Gebundenheit an irgendwelches Werk, das dir die Freiheit benimmt, in diesem gegenwärtigen Nun Gott zu Gebote zu stehen und ihm allein zu folgen in dem Lichte, mit dem er dich anweisenwürde zum Tun und Lassen, frei und neu in jedem Nun, als ob du anders nichts hättest nochwolltest noch könntest.
(Quint 2, S. 160)